Das von der Europäischen Union geförderte Erasmus-Projekt definiert die Bedingungen und Inhalte der kieferorthopädischen Weiterbildung. In vielerlei Hinsicht dient dieses Programm als Richtschnur für die Gestaltung eines modernen Weiterbildungsprogramms in Europa.
Ein neuer Artikel von Huggare (Schweden) und Coautoren aus zahlreichen europäischen Ländern ist 2013 im European Journal of Orthodontics erschienen. Er fasst alles Wesentliche unter dem Titel "Erasmus Programme for Postgraduate Education in Orthodontics in Europe: An Upgrade of Guidelines" zusammen. Lesen Sie den gesamten Artikel EJO 36 (2014) 340-349 bzw. den folgenden Abstract:
In 1989, the ERASMUS Bureau of the European Cultural Foundation of the Commission of the European Communities funded the development of a new 3-year curriculum for postgraduate education in orthodontics. The new curriculum was created by directors for orthodontic education representing 15 European countries. The curriculum entitled ‘Three years Postgraduate Programme in Orthodontics: the Final Report of the Erasmus Project’ was published 1992. In 2012, the ‘Network of Erasmus Based European Orthodontic Programmes’ developed and approved an updated version of the guidelines. The core programme consists of eight sections: general biological and medical subjects; basic orthodontic subjects; general orthodontic subjects; orthodontic techniques; interdisciplinary subjects; management of health and safety; practice management, administration, and ethics; extramural educational activities. The programme goals and objectives are described and the competencies to be reached are outlined. These guidelines may serve as a baseline for programme development and quality assessment for postgraduate programme directors, national associations, and governmental bodies and could assist future residents when selecting a postgraduate programme.
Abschlussbericht des Erasmus-Projekts (van der Linden 1992,
Übersetzung: Prof. Dr. R.-R. Miethke)
Koordinator und Berichterstatter: F.P.G.M. van der Linden
Repräsentanten: | |
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Prof. C. Bolender | Louis Pasteur Universität, Straßburg, Frankreich |
Prof. J. A. Canut | Universität Valencia, Spanien |
Prof. L. Dermaunt | Universität Gent, Belgien |
Prof. W. J. B. Houston | Universität London, Großbritannien |
Prof. J. B. Moss | Universität London, Großbritannien |
Prof. B. Melsen | Universität Aarhus, Dänemark |
Prof. R. R. Miethke | Freie Universität, Berlin |
Prof. M. N. Spyropoulos | Universität Athen, Griechenland |
Prof. F. P. G. M. van der Linden | Universität Nijmegen, Niederlande |
Prof. J. P. Joho | Universität Genf, Schweiz |
Prof. S. Linder-Aronson | Karolinska Institut Stockholm, Schweden |
Prof. O. Rönning | Universität Turku, Finnland |
Prof. P. Rygh | Universität Bergen, Norwegen |
Prof. M. Ronchin | Universität Cagliari, Italien |
Prof. R. Martina | Universität Neapel, Italien |
Prof. M. Hegarty | Universität Cork, Irland |
Prof. H. Droschl | Universität Graz, Österreich |
Berater: | |
Prof. em. C. F. A. Moorees | Harvard Universität, Boston, Maine/USA |
Im Oktober 1989 wurde dem ERASMUS-Büro der Europäischen Kulturstiftung bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein Antrag über die gemeinsame Ausarbeitung eines neuen Dreijahres-Studienplans für die kieferorthopädische Ausbildung Graduierter von den ersten acht der oben aufgeführten Professoren und ihren Universitäten unterbreitet.
Hauptgrund der Initiative zur Aufstellung eines gemeinsamen Studienplans war die Ungleichheit in der Dauer, der Intensität und im Inhalt der bestehenden Programme sowie die Ausarbeitung gemeinsamer Richtlinien für Länder, die beabsichtigen, die kieferorthopädische Ausbildung Graduierter einzuführen. Darüber hinaus macht die freie Berufsausübung der Kieferorthopäden innerhalb der Länder der Europäischen Gemeinschaft eine Übereinstimmung der Ausbildungsrichtlinien erforderlich. Das ERASMUS-Projekt verfolgt daher einen doppelten Zweck, nämlich die qualitative Verbesserung der Fachausbildung in der EG und somit auch der Patientenbetreuung. Die Kieferorthopädie stellt heute eine hochentwickelte Disziplin im allgemeinen Gesundheitswesen dar, die auf der Prämisse beruht, daß die Behandlung durch gut ausgebildete und erfahrene Fachzahnärzte ausgeführt wird. Ausreichend qualifizierte menschliche Leistungsfähigkeit ist daher der Schlüssel zu einer bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung.
Das dem ERASMUS-Projekt im Antrag unterbreitete Programm wurde wie folgt definiert:
"Gemeinsame Ausarbeitung eines allgemeinen Dreijahres-Studienplans innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für die kieferorthopädische Ausbildung auf der Grundlage neuer Konzepte. Das Programm sollte auf einer Beschreibung klar definierter Ziele und Erfordernisse beruhen.
Der neue Lehrplan sollte zu 75 % aus Pflichtfächern und zu 25 % aus Wahlfächern bestehen. Ein Teil des Lehrplans müßte so ausgelegt sein, daß er sich für den Austausch von Studienteilnehmern innerhalb der beteiligten Ländern eignet."
Im Antrag war im Rahmen des Aktionsplans ein zweites Jahr vorgesehen, in dessen Verlauf folgende Aufgabe zu erfüllen war:
"Ausarbeitung der endgültigen Fassung des Studienplans. Einvernehmen sollte erreicht werden bezüglich Ziele, Lehrtätigkeit, Erfordernisse, Wahlfächer und Bedingungen über den Austausch der Graduierten."
Dieser Teil des Aktionsplans wurde mit Ausnahme der Formulierung der Austauschbedingungen bereits ausgeführt. Dabei hat sich herausgestellt, daß es unrealistisch wäre, diese Bedingungen vor Aufstellung des gemeinsamen Programms in den verschiedenen Ländern zu definieren.
Vor der Ausarbeitung des neuen Studienplans wurden in der ganzen Welt Informationen über bereits vorhandene kieferorthopädische Ausbildungsprogramme für Graduierte gesammelt und ausgewertet. Daneben sind die Direktiven der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Ausbildung von Zahnmedizinern (1986) unter Bezugnahme auf die Ausbildung von Kieferorthopäden in die Überlegungen mit einbezogen worden.
Die eingangs aufgeführten Teilnehmer hatten Gelegenheit, die gesammelten Informationen und verschiedenen Aspekte, die mit der Ausbildung von Kieferorthopäden zusammenhängen, zu diskutieren. In allen wesentlichen Fragen wurde eine Übereinstimmung erzielt. Die Feststellungen, Schlussfolgerungen sowie der Inhalt des im vorliegenden Bericht dargestellten Programms werden einvernehmlich unterstützt.
Allgemeiner Zweck des Programms ist die Ausbildung von Zahnärzten zu Kieferorthopäden aus solider, breiter akademischer Grundlage und mit ausreichender klinischer Erfahrung in den verschiedenen Behandlungsmethoden.
Der Graduierte sollte in der Lage sein,
Daneben wird Wert gelegt auf:
Der Leiter des Programms muss
Neben dem Programmleiter muß ein hauptamtlich tätiger Kieferorthopäde anwesend sein. Sind mehr als vier Graduierte immatrikuliert, ist ein zusätzliches kieferorthopädisches Lehrpersonal erforderlich. In den hierfür geeigneten Räumlichkeiten müssen ausreichende Möglichkeiten zur Unterbringung von Bibliotheken, Labors sowie Forschungs- und Verwaltungseinrichtungen vorhanden sein. Zur reibungslosen Durchführung des Lehrprogramms und der Patientenbetreuung muß ausreichend nichtakademisches Personal zur Verfügung stehen. Erforderlich sind Verbindungen mit Zentren für Mund- und Kieferchirurgie, Parodontologie und restaurative Zahnheilkunde. Zur Sicherstellung der Lehrtätigkeit in allgemeinen biologischen und medizinischen Fächern sowie in den Grundlagen der Kieferorthopädie müssen ausreichende Fachkenntnisse vorhanden sein. Forschungsmöglichkeiten, statistische Hilfe und Computereinrichtungen müssen verfügbar sein.
Von wesentlicher Bedeutung ist die genaue Zeiteinteilung des kieferorthopädischen Studienplans. Das akademische Programm beruht auf einer Mindestzahl von 40 Wochen jährlich und 40 Stunden wöchentlich, insgesamt also 4.800 Stunden in drei Jahren.
Aufteilung der 4.800 Planstunden:
Arbeitsverbindung zwischen Lehrkörper/Studierenden (63%)
--> Tabelle einfügen
Von den geplanten 4.800 Stunden sind 25 % für Wahlfächer vorgesehen (150 + 1.050 = 1.200 Stunden).
Daneben wird von den Studierenden erwartet, eine erhebliche Stundenzahl ihrer privat verfügbaren Zeit für das Studium aufzuwenden. So sind zum Beispiel für jede Stunde Pflichtfachunterricht im Durchschnitt zwei Stunden Studienzeit erforderlich.
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Wachstum und Entwicklung des menschlichen Körpers (25 Std.)
Einblick in:
Vertraut mit:
2. Anatomie des Kopfes (35 Std.)
Kenntnisse über anatomische Merkmale, Gewebesysteme und die funktionelle Anatomie, die von wesentlicher Bedeutung sind für das Verständnis des Wachstums des Schädel-Gesichtsskeletts der Entwicklung skelettaler Mißbildungen der dentofazialen Orthopädie der kieferchirurgischen Korrektur von Dysgnathien, kraniofazialen Mißbildungen und Okklusionsanomalien.
3. Genetik (25 Std.)
Vertraut mit den genetischen Grundlagen, die wesentlich für das Verständnis des Entwicklungsverlaufs des Kopfes der kraniofazialen Mißbildungen.
Einblick in zytologische und histochemische Aspekte, die wesentlich sind zum Verständnis der Embryologie der kraniofazialen Struktur, um Kenntnis vom normalen Wachstum und von der Entwicklung des Gesichts, der Kiefer und der Zähne sowie von der Teratogenie und Entwicklung von Spalten und sonstigen angeborenen Deformitäten zu erhalten.
5. Zellbiologie (30 Std.)
Einblick in:
6. Physiologie des Atmens, Sprechens, Schluckens und Kauens (20 Std.)
Kenntnisse über:
Vertraut mit:
7. Syndrome in Verbindung mit dem Kopf (20. Std.)
Vertraut mit:
8. Psychologie des Kindes, des Jugendlichen und des Erwachsenen (35 Std.)
Einblick in:
9. Biostatistik
Einblick in:
Vertraut mit:
Qualifiziert für:
10. Epidemiologie
Vertraut mit:
11. Forschungsmethodik
Vertraut mit:
Einblick in:
Qualifiziert für:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Entwicklung der Dentition (normal und anormal) (60 Std.)
Kenntnisse über:
Qualifiziert für die Erkennung und Identifizierung einer in der Dentition gegebenen Situation hinsichtlich:
2. Gesichtswachstum
Einblick in:
Kenntnisse über:
3. Physiologie und Pathophysiologie des stomatognathen Systems (35 Std.)
Kenntnisse über:
4. Aspekte der Zahnbewegung und dentofazialen Orthopädie (35 Std.)
Kenntnisse über:
5. Röntgenaufnahmen und andere bildgebende Verfahren (30 Std.)
Kenntnisse über:
Einblick in:
Vertraut mit:
6. Kephalometrie (einschließlich Durchzeichnung) (45 Std.)
Qualifiziert für:
Kenntnisse über:
7. Kieferorthopädische Werkstoffkunde (25 Std.)
Einblick in:
Kenntnisse über:
8. Kieferorthopädische Biomechanik (35 Std.)
Qualifiziert für:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Ätiologie
Einblick in:
Kenntnisse über:
2. Diagnoseverfahren
Qualifiziert für:
3. Kieferorthopädische Diagnose, Behandlungsziele und Behandlungsplanung (60 Std.)
Qualifiziert für:
4. Wachstums- und Behandlungsanalyse (35 Std.)
Kenntnisse über:
Qualifiziert für:
5. Langzeiteffekt der kieferorthopädischen Behandlung (30 Std.)
Kenntnisse über:
Qualifiziert für:
6. Iatrogene Auswirkungen der kieferorthopädischen Behandlung (30 Std.)
Kenntnisse über:
7. Epidemiologie in der kieferorthopädischen Forschung (35 Std.)
Einblick in:
8. Kieferorthopädische Literatur (120 Std.)
Vertraut mit:
Qualifiziert für:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Herausnehmbare Geräte (30 Std.)
Kenntnisse über:
Qualifiziert für:
2. Funktionskieferorthopädische Apparaturen (40 Std.)
Kenntnisse über:
Vertraut mit:
Qualifiziert für:
3. Extraorale Geräte
Kenntnisse über:
4. Partiell festsitzende Apparaturen
Kenntnisse über:
5. Festsitzende Apparaturen (60 Std.)
Einblick in:
Kenntnisse über:
6. Retentionsgeräte (15 Std.)
Kenntnisse über:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (20 Std.)
Einblick in:
2. Kieferorthopädisch-chirurgische Behandlung (20 Std.)
Kenntnisse über:
3. Parodontale-kieferorthopädische Behandlung (20 Std.)
Kenntnisse über:
4. Kieferorthopädisch-restaurative Behandlung (10 Std.)
Kenntnisse über:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen. Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Überwachung der okklusalen Entwicklung (10 Std.)
Kenntnisse über:
2. Kieferorthopädische Erwachsenenbehandlung (15 Std.)
Kenntnisse über:
3. Kraniomandibuläre Dysfunktion (40 Std.)
Vertraut mit:
Kenntnisse über:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen. Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Mundgesundheit (15 Std.)
Einblick in:
Kenntnisse über:
Qualifiziert für:
2. Gesundheits- und Hygienevorkehrungen in einer kieferorthopädischen Praxis (5 Std.)
Kenntnisse über:
Die in den folgenden Abschnitten in Klammern angegebene Stundenzahl stellt eine Mindestzahl dar, die für den durchschnittlich Graduierten erforderlich ist, um in dem betreffenden Fach ein bestimmtes Maß an Können und Befähigung zu erreichen.
Mindestens ein Drittel dieser Stunden muß in einer Arbeitsverbindung zwischen dem Lehrkörper und dem Studierenden (Vorlesung, Seminare, Arbeitskreis usw.) zugebracht werden.
1. Praxismanagement (15 STD.)
Einblick in:
2. Benutzung von Computern (10 Std.)
Vertraut mit:
3. Arbeitsweise (Ergonomie) (5 Std.)
Kenntnisse über:
4. Rechtsfragen (10 Std.)
Einblick in:
5. Berufsethik (5 Std.)
Kenntnisse über: